Kurdistan | Iraq 2007

April 2007

Es war schon spät am Abend, als wir in Djerbakir ankamen, auf einem winzigen Flughafen im Südosten der Türkei. EinTaxifahrer sollte uns über die Grenze inden Irak bringen.Die Straßen waren verlassen, wie Geisterstädtelagen die Häuser in der Dunkelheit,das gelbe Licht der Straßenlaternen warf schroffe Schatten auf die halbfertigen Betonbauten. Wir fuhren durch wüsten.hnliche, karge Landstriche, vorbei an menschenleeren Dörfern. Mitten im Nirgendwo plötzlich ein türkischer Militärcheckpoint: Vermummte Gestalten saßen um ein Feuer, dahinter konnte man die Silhouetten von mehreren Panzern ausmachen. Einer der Soldaten kam langsam, seine Kalaschnikof im Anschlag auf uns zu, leuchtete mir mit seiner Taschenlampe grell ins Gesicht, musterte mich und verlangte unsere Pässe. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Bloß keine Fragen, dachte ich mir. Aber sie ließen uns passieren. Nach vier Stunden erreichten wir die letzte Stadt vor der Grenze. Wir hielten an. Der Taxifahrer sollte uns hier alle nötigen Papiere für den Grenzübertritt besorgen. Er traf sich mit mehreren dunklen Gestalten an einer Straßenecke, verschwand mit unseren Papieren in einem der Häuser, die wie ausrangierte Theaterkulissen wirkten, geprägt von dem Elend, welches sich seit Jahrhunderten in den Kurdengebieten abspielt. Kurz darauf erreichten wir die kurdische Grenze zum Irak. Tausende von Lastwagen warteten hier- teilweise über drei Wochen- um über den einzigen passierbaren Grenzübergang in den Irak zu gelangen. Wir wechselten das Taxi, da der Fahrer als türkischer Kurde keine Einreiseerlaubnis hatte. Ein mulmiges Gefühl stieg in mir auf, als ich zu Fuß die Grenze überschritt in das Land, aus welchem seit vielen Monaten die Schreckensnachrichten des Krieges täglich in den Medien zu verfolgen waren. Selbst das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft in Bagdad, mit denen ich zuvor Kontakt aufgenommen hatte, hatten mir dringendst davon abgeraten, in den Irak zu kommen. Sie könnten mir keinerlei Hilfe im Notfall gewähren. Doch ich hatte den Aussagen meines Freundes und Begleiters Karwan Amedi vertraut, dass ich bei seiner Familie gut aufgehoben wäre und dass ich mir keine Sorgen zu machen bräuchte. Mir bot sich ein Bild von Gegensätzen, als wir von der Grenze in Richtung Dohuk fuhren: Unmengen von leuchtenden Tankstellen säumten unseren Weg, dazwischen baufällige Häuser und kleine, ärmliche Dörfer sowie Militärcheckpoints, die wir alle zwei bis drei Kilometer passieren mussten. Überall am Straßenrand wurde illegal Benzin verkauft, teils aus rostigen Tanklastern gezapft oder von Kindern, die das Benzin in Plastikflaschen abgefüllt hatten. Bei einem Besuch im Amt für ausländische Beziehungen wurde mir erst klar, in was für einer Situation sich Kurdistan befindet. Der Sekretär erzählte uns von den Schwierigkeiten, welche die Regierung habe, Kontakte und Hilfe aus dem Ausland zu bekommen, da sie von den Besatzungsmächten völlig von der Außenwelt isoliert würden. Er verabschiedete sich mit den Worten: „Ich flehe Dich an, erzähl in deinem Land, wie wir hier leben und welchen Konflikten wir hier ausgesetzt sind, es würde unserem Volk sehr helfen“. ...an dem alten Palast des ehema ligen Diktators Saddam Hussein Wir trafen Karwans Onkel Adel, der uns, nachdem wir ausreichend Farben besorgt hatten, mit nach Amedi nahm. Auf dem Weg dorthin fuhren wir an dem alten Palast des ehemaligen Diktators Saddam Hussein vorbei, der als Träger-Medium für die erste „Peace Wall“ dienen sollte. Wir hatten geplant, nur zwei Tage im Irak zu bleiben, daher engagierten wir zwei ortsansässige Maler, die für uns die Wand, um Zeit zu sparen, noch in der Nacht grundieren sollten. Bis zu dem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, was für ein Motiv ich auf die Wand malen würde, und so rief ich mir noch einmal die Worte des Sekretärs und die Eindrücke des Tages vor Augen: Die Kurden im Irak durchleben seit vielen Jahrhunderten eine Phase der Gewalt nach der anderen, sie haben kaum Chancen auf Bildung und sind von der Außenwelt völlig abgeschnitten. Es gibt weder Post noch Internet, das Fernsehprogramm wird von den zwei politischen Sendern kontrolliert. Die ursprüngliche, hoch entwickelte Kultur des Zarathustra- Glaubens, wurde durch den Islam so gut wie ausgelöscht. Ich wollte hier in diesem Landstrich mit meiner Kunst ein Zeichen für Hoffnung und Frieden setzen, um den Menschen Mut für eine bessere Zukunft zu machen! Welches Symbol ist eindeutiger als eine Friedenstaube, eingebettet in kulturelle Elemente, mit denen sich die Menschen vor Ort identifizieren können! Mit dieser Idee wurde an diesem Abend -nach einem guten, traditionellen kurdischen Abendessen- in Amedi der Grundstein für das Projekt der „World Peace Walls“ gelegt. Am darauffolgenden Morgen, machte ich mich mit Karwan und einigen Freunden der Familie auf den Weg zu der besagten Mauer, die das Gelände des gesprengten Hussein-Palastes umschließt, und malte in etwa zehn Stunden die erste „Peace Wall“.Während ich arbeitete, statteten uns Kinder aus dem nahegelegenen Dorf einen Besuch ab; gespannt verfolgten sie die Entstehung des Kunstwerks. Reisebusse hielten an und die Insassen fotografierten sich gegenseitig vor dem Bild. Die Botschaft „Azadi Bu Kurdistan“ Die Botschaft „Azadi Bu Kurdistan“ (= Freiheit für Kurdistan) hinterließ bei allen Betrachtern sowie den Mitarbeitern des kurdischen Fernsehens einen positiven, bestärkenden Eindruck. Die Rückreise wurde uns während des Grenzübertritts von türkischen Soldaten zwar etwas erschwert, die uns bis auf die Wäsche durchsuchten, das Taxi halb auseinander nahmen und uns mit Verachtung behandelten, letztendlich konnten sie aber bis auf einen Aufnäher mit der kurdischen Flagge, den sie mit Hohngelächter beschlagnahmten, nichts finden.